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“Kreativität ist Einstellung” – Interview mit Torsten Huith

Viele glauben, sie seien unkreativ. In seinem Buch Kreativ leben. Impulse für außergewöhnliches Handeln behauptet Torsten Huith, dass in jedem Menschen kreatives Potenzial steckt. Wie das am besten zum Vorschein kommt und warum sogar Jesus auf besondere Art kreativ war, verrät der Autor im Interview mit ERF.de.

ERF.de: Ich habe mich bei den Fragen für dieses Interview richtig schwer getan. Was kann ich tun, wenn ich eine kreative Denkblockade habe?

Torsten Huith: Zuerst mal würde ich in so einer Situation vorschlagen, eine Art von Unterbrechung, Wechsel oder Cut zu machen. Weil es sonst doch oft so ist, dass man sich verfranst. Man dreht sich um sich selbst und die Gedanken drehen sich immer weiter. Mir persönlich hilft es immer, zumindest mal kurz auf die Toilette zu gehen oder an einem anderen Ort weiterzudenken, im Prinzip also erstmal eine Pause zu machen. Das wäre so ein erster kleiner Tipp, um eine andere Perspektive zu bekommen. Gerade wenn es um kreative Lösungen geht ist das wichtig, denn die kann man oftmals nicht erzwingen.

Was heißt kreativ leben?

Torsten Huith: Es ist wesentlich mehr als Basteln, Musizieren oder Tanzen, was natürlich auch dazu gehört. Aber für mich heißt kreativ leben, sich nicht immer in den gleichen gewohnten Bahnen zu bewegen, sondern einfach Dinge mal anders anzugehen. Kreativ ist gleich anders. Wenn man den Wortursprung nimmt, „creatio“ aus dem Lateinischen, heißt es kreieren, schöpfen oder gestalten. Kreativ leben bedeutet also auch, zu gestalten und schöpferisch zu leben. Dazu kann man den christlichen Bezug herstellen: Wir sind das Ebenbild Gottes und im Prinzip dazu gemacht zu gestalten, also aktiv etwas anzugehen. Das hat für mich ganz viel damit zu tun, den Reichtum des Lebens zu entdecken. Wenn ich mich immer nur in meinem gleichen kleinen Horizont bewege, dann schöpfe ich ganz viel nicht aus. In der Fachsprache würde man sagen: Man bewegt sich immer nur in der Komfortzone. Da ist es vielleicht ab und zu mal sinnvoll rauszugehen. Es muss ja nicht gleich eine hohe Risikozone sein, aber zumindest mal raus aus dem gewohnten Muster.

Was bringt mir Kreativität im Alltag?

Torsten Huith: Kreativität bringt Entdeckung von mehr Lebensqualität. Das heißt nicht, dass das jetzt andauernd und überall sein muss. Kreativität funktioniert immer in einem Gleichgewicht mit Sicherheit und Stabilität. Man braucht einen sicheren Rahmen, der einem ermöglicht, kreative Dinge auszuprobieren.
Ich finde, dass am besten folgendes Zitat passt: „Am schlimmsten ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben.“ (Alexander von Humboldt, Anm.d.Red.) Das gilt sowohl im Zusammenleben, als auch im Zusammenarbeiten mit anderen. Wenn da zu große Enge herrscht, ist es meistens frustrierend und bringt nichts nach vorne. Deshalb lohnt es sich definitiv, kreativ zu sein.

Stabilität und Sicherheit können zum Beispiel durch ein positives Umfeld entstehen. Durch ein Umfeld mit Menschen, die aufgeschlossen sind. So etwas kann man sich natürlich nicht immer aussuchen, aber eben streckenweise schon. Oder durch einen Rahmen, in dem es möglich ist, kreativ zu sein. Da kann man wirklich von den Künstlern lernen. Ein Maler hat sein Atelier mit allem Werkzeug, was er benötigt. Vielleicht braucht er seine Ruhe und Abgeschiedenheit zum Arbeiten, ein anderer braucht vielleicht laute Musik dazu, das ist ganz individuell. Aber man sollte sich solche kreativen Voraussetzungen schaffen.

Steckt in jedem Menschen Kreativität?

Torsten Huith: Das würde ich bejahen und zwar aus folgendem Grund: Wenn ich davon ausgehe, dass wir als Menschen zum Ebenbild Gottes geschaffen sind, dann haben wir auch die Eigenschaften Gottes in uns. Gott als Schöpfer legt in uns etwas hinein, was letztlich genau diese Kreativität ist. Ich glaube, dass es viele Menschen gibt, bei denen das nicht sehr ausgeprägt ist, aber es ist lern- und trainierbar. Es geht dabei nicht darum, dass jeder Musiker werden soll. Aber viele haben ihr kreatives Potenzial überhaupt nicht ausgeschöpft. Sei es zum Beispiel, weil man eben schnell sagt: Ich bin nicht kreativ.

Kann man Kreativität lernen und wenn ja, wie?

Torsten Huith: Ja, Kreativität ist absolut lernbar. Das können auch Forschung und Wissenschaft belegen: Kreativität ist zum Teil leichter zu erlernen, als andere intellektuelle Fähigkeiten. Denn ganz viel hängt davon ab, sich erstmal bewusst zu machen, dass man in gewohnten Bahnen fährt. Aber dass man Dinge eben auch anders machen könnte. Ein erster Schritt ist also, das Bewusstsein zu verändern: Okay, so wie ich es mache, muss man es nicht unbedingt machen, es gibt auch andere Möglichkeiten. Dann geht es als nächstes darum, sich zu überlegen, was diese anderen Möglichkeiten wären. Zum Beispiel eine andere Art, sein Leben zu gestalten oder ein bestimmtes Projekt anzugehen. Um das herauszufinden, kann man einfach mal ein typisches Brainstorming machen, also verschiedenste Möglichkeiten erörtern, mit anderen darüber reden und dann einfach ausprobieren. Ein praktischer Tipp für Kreativitätstraining im Alltag wäre, einfach mal in einem ganz anderen Laden einzukaufen als sonst. Oder sich eine Fachzeitschrift aus einem Fachgebiet zu kaufen, mit dem man normalerweise absolut nichts zu tun hat. Das kann ganz lustig werden. (lacht)

Wie kann denn kreative Lebensgestaltung in einem ganz normalen Bürojob aussehen, wenn man als Bankangestellte oder als Müllmann arbeitet? Geht das überhaupt in jedem Beruf, in jeder Lebenssituation?

Torsten Huith: Ich würde erstmal im ganz Kleinen anfangen. Und ich glaube, es gibt in jeder Lebenssituation Möglichkeiten, Dinge anders zu gestalten. Selbst im Wirtschafts- oder Bankwesen und in einem Bürojob. Auch da gibt es immer ein Stück mehr Möglichkeiten zur Menschlichkeit, als man auf den ersten Blick denkt. Der größte Feind von Kreativität ist aus meiner Sicht nämlich eine Aussage wie „Das geht nicht“ oder „Das haben wir immer schon so gemacht“. Da würde ich einfach immer sagen: Das glaube ich nicht. Auch ein Bankangestellter hat die Möglichkeit, wenn er sich an seinem Arbeitsplatz nicht wohl fühlt, irgendetwas kreativ anders zu gestalten, damit es angenehmer wird. Manchmal sind die Spielräume vielleicht hier und da sehr klein, aber sie sind da. Und oft braucht es gar nicht unbedingt die ganz große Veränderung, weil Kreativität einfach eine Einstellung ist.

Ein Müllmann kann zum Beispiel bei der Pause anfangen. Viele Müllmänner fahren vielleicht jeden Tag zum gleichen Bäcker und kaufen dort etwas. Das ist auch erstmal nicht schlecht, wenn es allen gefällt. Aber da gibt es womöglich einen, der sagt: Das geht mir eigentlich auf den Keks. Vielleicht gibt es dann ja die Möglichkeit, sich irgendwo mal gemütlich reinzusetzen, anstatt die Brotzeit schnell vorne im Führerhaus zu sich zu nehmen. Vielleicht reicht das schon, um einfach mal für einen Moment Abstand zu gewinnen. Das wäre jetzt nur ein Vorschlag, aber da muss man dann immer individuell gucken.

Was kann Kreativität verhindern?

Torsten Huith: Engstirnigkeit, Intoleranz, im Prinzip sind alle Arten von Fanatismus bei Kreativität eigentlich ausgeschlossen. Denn Kreativität beinhaltet auch immer, dass ich in der Lage bin, mich entweder in eine Situation aus einer anderen Perspektive hineinzuversetzen oder aber in die Perspektive von anderen Menschen. Wenn man jetzt mal das Gegenteil nimmt, wenn man engstirnig oder fanatisch ist, dann blendet man ganz viel aus. Für mich heißt Kreativität auch einblenden, also den anderen auch stehen lassen. Gerade zwischenmenschlich finde ich das sehr wichtig.

In Unternehmen oder auch in Gesellschaften sollte es funktionierten, dass kreative Vorschläge erstmal überhaupt gehört werden und gemeinsam überlegt wird. Nicht jeder kreative Vorschlag ist auch sinnvoll, zunächst sind es sogar viele nicht, aber der eine Entscheidende dann eben doch. Zum Beispiel ein Stückchen mehr Produktivität, ein Stückchen mehr Wohlstand oder ein Stückchen mehr Entlastung, je nachdem in welchem Bereich. Darauf einzugehen finde ich bereichernd und wichtig.

Fällt Ihnen ein Beispiel aus der Bibel für Kreativität ein?

Torsten Huith: Die Bibel ist eigentlich voll von Kreativität. Allein das Leben Jesu ist so voll davon, darin gibt es so viel Unkonventionelles. Wenn man sich zum Beispiel nur mal anguckt, wie er Menschen geheilt hat. Da ist jemand blind, und was macht Jesus? Er bückt sich und rührt einen Brei aus Sand zusammen. Das ist erstmal absolut unkonventionell. Das war eben nicht das, was jemand erwartet hat, was er tut – aber er hat es getan.

Vielen Dank für das Gespräch.

Abdruck des Interviews mit freundlicher Genehmigung des ERF
www.erf.de

Webseite von Torsten Huith

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Headerbild: unsplash.com/Alex Mihis

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