Brief einer frustrierten Verlegerin. Die Krise Teil 2: unser Anteil

“Gehen dir nie die Ideen für neue Bücher aus?”, werde ich oft gefragt. Zum Glück nein. Und leider nein. Derzeit ist unsere Liste mit möglichen Ideen für neue Titel acht Seiten lang. Nur Titelvorschläge. Als Netzwerkerin nehme ich die Titelideen von anderen auf. Als Visionärin entwickle ich selbst neue Titel. Wir haben weit mehr Ideen, als wir umsetzen können. Viele davon sind gut.

Nicht alle. Immer wieder ist es uns in den letzten Jahren passiert, dass wir Ideen entwickelt haben, die an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigingen. Wir haben einen Hochzeitsplaner entwickelt, der Menschen hilft, alle wichtigen Dinge für ihren großen Tag im Blick zu behalten. Der kam so gut an, dass es schon bald eine zweite Auflage geben musste. Also haben wir weitere Planer entwickelt: Umzugsplaner, Veranstaltungsplaner, Schwangerschaftsbegleiter. Ohne vorher zu prüfen, ob dafür ein Bedarf besteht, oder ob wir an die Menschen herankommen, für die das genau das Richtige ist. Tja…

Wir fanden es eine gute Idee, ein Impulsheft für Menschen zu entwickeln, die krank sind: Gute Besserung. Wir dachten: Das will doch jeder haben, der eine oder einen Kranken besucht. Als kleinen, aber gehaltvollen Gedankenanstoß und als Hilfe, die schwere Zeit zu bewältigen. Wir irrten uns. Er wäre klug gewesen, vor der Produktion mit möglichen Interessenten zu reden: Krankenhausseelsorgern, Besuchsdiensten oder was auch immer.

Wir haben eine wunderschöne Serie von handlichen schlicht und ergreifend Büchern zu verschiedenen Themen produziert: Liebe, Leben, Freundschaft, Erfolg, Gebet. Im Moleskin Stil, mit Lesebändchen, Einstecktasche für Notizen. Sehr aufwändig. Und teuer in der Produktion. In der Herstellung etwa das vierfache an Kosten eines normalen Taschenbuches. Nur leider sieht das keiner. Weil sie ein sehr kleines Format haben, denken Menschen oft, die müssten günstiger sein. Ein großes Buch macht mehr her. Wieder was gelernt. Teureres Lehrgeld gezahlt.

Dumm gelaufen. Zur Originalität und Offenheit für Neues muss sich immer auch die Analyse und die genaue Auswahl stellen – das ist das A und O. In seinem Buch Rock your idea beschreibt Innovator, Erfinder und Ideentrainer Martin Gaedt, dass zu jeder erfolgreichen Umsetzung einer Idee diese beiden Pole gehören. Das Offene und das Analytische.

Nachdem ich das Buch gelesen hatte, war mir zum Heulen zumute. Mir war endlich klar, warum in der Vergangenheit manche Projekte nicht funktioniert hatten. Wenn etwas nicht funktioniert wie gedacht, neigen Menschen in der Regel dazu, ihre Anstrengungen zu verdoppeln. Ich auch. Ich entwickelte noch mehr neue Ideen, publizierte noch mehr Bücher – und verschärfte durch hohe Produktions- und Lagerkosten die Krise noch mehr, statt sie zu bewältigen.

Mir war zum Heulen zumute – und zum Jubeln.

Denn wer ein Problem – oder zumindest einen großen Teil davon – erkennt, der kann beginnen, es zu lösen.

Brief einer frustrierten Verlegerin. Krise Teil 3: Kreative Lösungen

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