Mein Weg zu einem Leben in Balance
Mein Leben ist nicht wohlgeordnet. Das liegt einerseits daran, dass ich selbstständige Verlegerin, Autorin, Referentin und Trainerin bin und in den verschiedensten Tätigkeitsbereichen eine Vielfalt unterschiedlicher Aufgaben zu erledigen habe. Niemand von »oben« sagt mir, was ich tun oder lassen soll. Andererseits liegt es wohl auch daran, dass ich jemand bin, den nette Menschen als »kreativ«, weniger nette Menschen als »chaotisch« beschreiben.
Jahrelang habe ich versucht, mit To-Do-Listen, Wochen-, Monats- und sonstigen Plänen mein Leben in den Griff zu bekommen und zu mehr Ausgeglichenheit zu finden.
Zeitweise klappte das ganz gut. Nach einer gewissen Zeit kamen mir alle Pläne, Tages- und Minutenlisten zu steif und zu einengend vor. So zu leben, funktionierte auf Dauer nicht, weil die Listen nur auf die Erledigung von Aufgaben konzentriert waren, aber die verschiedenen Bedürfnisse meiner Persönlichkeit nicht berücksichtigten.
Ich sehnte mich nach einem neuen, ganzheitlichen, dynamischen, aber auch beruhigenden Lebensrhythmus. Auf dieser Suche kam mir die Schöpfungsgeschichte in den Sinn. Bei genauem Hinsehen entdeckt man in ihr ein faszinierendes Muster für die Lebensgestaltung.
Genesis 1 beschreibt eine Woche, die randvoll mit Arbeit gefüllt war. Eine komplette Welt zu erschaffen, ist selbst für Gott keine kleine Aufgabe. Aber die Beschreibung der Schöpfung strahlt dennoch ruhige Gelassenheit und Freude aus. Nirgendwo ist etwas von Stress und Überforderung zu spüren. Es klingt so, als ob Gott gelassen und kreativ eine Sache nach der anderen gemacht hat und auch noch Spaß dabei hatte. Es war offensichtlich, dass er ohne rigide Raster und Stundenpläne auskam und sich nicht schon am dritten Schöpfungstag aufs Wochenende freute, das zu diesem Zeitpunkt aber leider noch gar nicht erfunden worden war.
Ich gebe zu: Gott ist Gott und hat als solcher den Ruf, weise, vollkommen, klug, umsichtig und voller Kraft zu sein. Das kann man von mir nicht immer behaupten. Dennoch schien es mir logisch, dass in Gottes kreativer Art, der Schöpfungswoche Gestalt zu geben, auch der Schlüssel für meine eigene Frage nach einem guten Lebensrhythmus zu finden sein würde, da ich nach seinem Bild geschaffen bin.
Eines der Geheimnisse für ein gelassenes Leben hatte ich schon vor längerer Zeit entdeckt, nämlich die Beschreibung göttlicher Gelassenheit: »Am siebten Tage ruhte Gott«. Und der daraus abgeleitete Ratschlag für den Menschen: »Am siebten Tage sollst du ruhen.« Ich genieße diesen Ruhetag schon seit Jahren bewusst: Mein Computer bleibt (meistens) ausgeschaltet, ich nehme mir entspannt Zeit, um zu lesen und mich auszuruhen, spazieren zu gehen und Kaffee zu trinken. Ich genieße es, nichts tun zu müssen. Meine Seele baumelt. Die Gedanken im Kopf und auch der Körper kommen zur Ruhe.
Für mich ist dieser Ruhetag kein Tag der Verbote, sondern ein »Du musst nicht«-Tag: »Du musst heute nicht den Rasen mähen und auch deine Steuererklärung darfst du ruhig liegen lassen!« Es ist ein Tag der Freiheit, die Dinge zu lassen, die ich an den anderen Tagen tun muss. Es ist für mich der Tag, an dem meine emotionalen und physischen Tanks wieder aufgefüllt werden.
Am siebten Tage ruhte Gott – und lädt die Menschen ein, mit ihm zu ruhen. Das hatte ich verstanden. Ich fragte mich: Sind womöglich im »Wochenplan« der Schöpfung weitere Muster zu erkennen, die das Leben in seiner Vielfalt ähnlich befreiend und wohltuend ordnen können, wie der Ruhetag? Könnte es sein, dass Gott einen Rhythmus »auf Lager hat«, der nicht nur die Arbeit ordnet, sondern auch den menschlichen Bedürfnissen nach Kreativität, Struktur, Produktivität, Freundschaft, Vision, Abenteuerlust und Ruhe Raum gibt?
Mit diesen Fragen im Hinterkopf habe ich mehrere Monate lang (fast) täglich die Schöpfungsgeschichte gelesen, ihrem Rhythmus nachgespürt und die Struktur und Aktivitäten der einzelnen Tage genauer analysiert.
Ich entdeckte fasziniert: Jeder Schöpfungstag hat eine spezifische Prägung. An jedem Tag kommt ein anderer Aspekt dessen, was man für ein gesundes Leben braucht, zum Ausdruck:
• explosive Kreativität
• beruhigende Ordnung/Planung
• erfolgreiche Produktivität
• gesunder Rhythmus
• sprudelndes Leben
• befriedigende Beziehungen
• kraftspendende Ruhe
Ich nahm wahr: All diese Dinge brauche ich auch zum Menschsein, wenn ich nicht nur aktiv, sondern ganzheitlich Mensch sein will. Im Lauf der Zeit integrierte ich diese Aspekte in meinem Lebens- und Arbeitsrhythmus. An jedem Wochentag gebe ich einem der sieben Aspekte Raum und plane Zeit für Kreativität, Ordnung, Produktivität, wiederkehrende Ereignisse, belebende Erfahrungen, Begegnungen und Ruhe ein.
Ich gestalte jede Woche so, dass einerseits die Arbeit getan wird, die ansteht (meine »To-Do-Listen«), andererseits aber auch die Dinge nicht zu kurz kommen, die mein Leben lebenswert machen (die »To-Be«-Aspekte).
Meistens folge ich einfach den Tagen der Schöpfung und mache am ersten Tag der Woche etwas Kreatives, nehme mir am zweiten Zeit für Planung usw. Ich tue es auf meine Weise: Kreativität bedeutet für mich meistens Schreiben, kann aber auch andere künstlerische Aspekte beinhalten. Ordnung hat für mich viel mit Planung zu tun. Produktivität damit, dass ich die Homepage meines Verlags aktuell halte und attraktiv gestalte (www.down-to-earth.de) usw.
Diesem Rhythmus zu folgen, klappt nicht immer. Gelegentlich bin ich am Wochenende zu Referaten und Vorträgen unterwegs, da kommt die Ruhe zu kurz. Oder ein Buchprojekt erfordert so viel Kraft, dass wenig Raum für Kreativität und Belebendes bleibt. Das ist in Ordnung, wenn es ein oder zwei Mal passiert, aber es tut mir nicht gut, wenn ich eines der sieben Lebenselemente längere Zeit, das sind bei mir 2 – 3 Wochen, vernachlässige. Dann werde ich unzufrieden und kribbelig, weil mir etwas fehlt.
Manchmal »spiele« ich auch mit den Elementen und gönne mir eine längere Zeit der Kreativität oder der Ruhe, um dann wieder in den normalen Rhythmus einzusteigen. Oder ich fahre zwei oder drei Tage weg, um intensive Jahresplanung zu machen.
Seit ich vor einigen Jahren das Muster der Schöpfungswoche zu einem Raster für mein Leben gemacht habe, bin ich ausgeglichener, weil alle meine Bedürfnisse zum Zug kommen und ihren Platz finden.
Leben in Balance – wie geht es praktisch?
Seit ich das SWING-Konzept der sieben Lebenselemente entwickelt und ein Buch darüber geschrieben habe[1], bin ich mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen. Es ist ganz unterschiedlich, wie Menschen die Lebenselemente umsetzen. Für jeden bedeuten sie etwas anderes. Kreativität, Ordnung, Ruhe usw. sieht nicht bei allen Menschen gleich aus, sondern kann ganz vielfältig gestaltet werden. So verschieden, wie wir Menschen eben sind.
Ich habe jedoch erfahren, dass die meisten Menschen einige der sieben Lebenselemente gut in ihr Leben integriert haben, während andere jedoch chronisch fehlen.
Wenn diese sieben Aspekte in ausgewogener Mischung alle in einer Woche vorhanden sind, ist das Leben in Balance. Wenn nicht, zeigen sich früher oder später Mangelerscheinungen, die sich in Unausgeglichenheit, Stress, Überlastung bis hin zu Depression und Erkrankungen äußern.
Wenn die Kreativität fehlt, wird das Leben langweilig.
Wenn die Ordnung fehlt, wird das Leben chaotisch.
Wenn die Produktivität fehlt, wird das Leben sinnlos.
Wenn der Rhythmus fehlt, wird das Leben fade.
Wenn die Lebensfreude fehlt, wird das Leben tot.
Wenn die Beziehungen fehlen, wird das Leben einsam.
Wenn die Ruhe fehlt, wird das Leben rastlos.
Wer lernen will, als einzelner Mensch oder auch in einer Familie oder einem Team ausgewogener zu leben, für den bietet das SWING-Konzept einen guten Rahmen zum Reflektieren. Teams oder Familien brauchen alle sieben Elemente genauso, um gesund zu funktionieren, wie Einzelpersonen und es kann sehr spannend sein, gemeinsam zu reflektieren, welche Lebenselemente stark, welche weniger stark vertreten sind. Du kannst alleine oder auch gemeinsam mit deinem Partner, Team, Freunden oder Kindern überlegen, wo in deinem/eurem Leben die Balance fehlt und wie du die sieben Lebenselemente in dein Leben einbauen kannst.
Hilfreiche Fragen können dabei sein:
- Was bedeutet für mich Kreativität, Ordnung usw.? Wie lebe ich/wie leben wir das aus?
- Wie viel Platz hat jedes der sieben Elemente in meinem Leben? Wer will, kann Punkte von 1 (wenig) bis 10 (ausreichend) vergeben, um sich die Verteilung zu veranschaulichen.
- Welche Lebenselemente kommen bei mir chronisch zu kurz?
- Wie würde sich mein Leben verbessern, wenn ich den schwach ausgeprägten Elementen mehr Raum geben würde?
- Was kann ich konkret tun, um vernachlässigten Elementen mehr Raum zu geben? Was wäre der erste Schritt?
Das SWING Konzept ist kein Korsett, sondern ein Rahmen, der nach deinen eigenen Bedürfnissen mit Leben gefüllt werden kann. Probiere es, experimentiere, was zu dir passt – und entdecke das Leben neu. Lebe wie Gott – in dynamischer Balance.
Buch:
[1] Kerstin Hack: Swing. Dein Leben in Balance.