Wenn Willkommenskultur persönlich wird

Das eigene Haus und Leben für einen komplett Fremden zu öffnen erfordert eine gehörige Portion Mut. Eine Frau schrieb ihre persönliche Geschichte an die Herausgeberin von Willkommenskultur:

Gerne möchte ich mit Dir eine Erfahrung teilen, an der Du selbst mitbeteiligt warst.

Anfang des Jahres schicktest Du mir die Anfrage, ob wir einem orthodox getauften Flüchtling in unserer Gegend Unterstützung anbieten können, der als einzige „christliche“ Person von 100 muslimischen Menschen in einer Schule  in unserer Gegend in Brandenburg untergebracht war. Du hattest selbst über Facebook von diese Frage gehört und  sie an uns weitergegeben.

Als ich das Bild des jungen Mannes sah, kam es mir finster vor. Von Angst und Befürchtungen bestimmt, fällte ich die Entscheidung in meinem Herzen, dass wir da nicht zur Verfügung stehen.

Eine mutige Veränderung

Darauf redete Jesus sehr deutlich zu mir durch zwei Verse und einige formulierte Gedanken darunter in den Herrnhuter Losungen am 19.02.2016.

Da heißt es:
Ein Vater der Waisen und ein Helfer der Witwen ist Gott in seiner heiligen Wohnung, ein Gott, der die Einsamen nach Hause bringt, der die Gefangenen herausführt, dass es ihnen wohl gehe. – Psalm 68,6-7

Jesus Christus spricht: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. – Matthäus 25,40

Zitat darunter:
Was ihr dem geringsten Menschen tut, das habt ihr ihm getan;
Denn er nahm als unser Bruder jedes  Menschen Züge an.
Mitten unter uns steht er unerkannt.
Man verhöhnt ihn bei den Leuten;
Böses dichtet man ihm an.
Er wird überall verdächtigt, wo er sich nicht wehren kann.
Mitten unter uns steht er unerkannt.
– Herbert Schaal

In diesen Zeilen erkannte ich meine angstbestimmte Haltung wieder.

Ich bat Jesus um Vergebung dafür. Mein Mann und ich stellten uns in einer bewussten Umkehr-Entscheidung Gott zur Verfügung.

Wie maßgeschneidert

Dann nahm mein Mann Kontakt auf und wir stellten fest, dass es eine geniale Führung Gottes war, uns mit diesem jungen Mann zusammen zu bringen.

Er entpuppte sich als völlig „harmloser“ 25 j. Chemie-Student aus dem Nord Syriens, den seine Familie in Sicherheit bringen wollte.

Mein Mann war durch seine Kontakte genau der richtige Ansprechpartner um für ihn weitere Studiermöglichkeiten auszuloten, die richtige Art von Sprachkurs in Deutsch zu finden und mit den Angestellten in den Verwaltungen zu vermitteln bis dahin, vorübergehend Geld auszuleihen, damit sich „die Katze nicht in den Schwanz beißt.“

Es war berührend, die Menschen zu sehen, die sich engagiert mit Herz und Verstand für Flüchtlinge einsetzen.

Berührende Begegnungen

Über katholische Freunde war es möglich, ihm zu einer Wohnung zu verhelfen. Nun wohnt er inzwischen mit einem islamischen Freund dort zusammen.

Bei der Einstandsparty erlebten mein Mann und ich sechs islamische Freunde von diesem jungen Mann aus der Flüchtlingsunterkunft, die wohl alle von ihren Familien bei uns in Sicherheit gebracht werden sollten. Einer musste sich zwei Jahre im Haus versteckt halten, um nicht von der Armee geholt zu werden.

Für mich war es eine tiefe Erfahrung, dass es nicht darum geht, allgemein allen Flüchtlingen helfen zu wollen und im Gefühl der Hilflosigkeit, Überforderung, Angst stecken zu bleiben sondern im vertrauensvollen Glauben an Gottes Weisheit und Regie im Hören auf Ihn mutig Schritt für Schritt zu gehen und so Gottes geniale Führung zu erleben.

Er weiß genau, welchen Puzzle-Stein er mir/uns zugedacht hat in dem Puzzle Seiner Liebe, das Er zusammenbaut. Er weiß, was wie zueinander passt. So genial ist unser Gott!

Nun überlegen wir, ob wir die beiden „Jungs“ an Weihnachten zu uns in unsere Familie einladen.

PS: Die Geschichte geht weiter…

Für den Heiligen Abend ließen sie sich die beiden syrischen Jungs (22 und 25J.) zu uns in die Familie einladen.

Das größte Weihnachtsgeschenk könnte dabei die Begegnung von ihnen mit einem Freund einer unserer Töchter gewesen sein.

Er hatte bisher keine direkte Berührung mit Flüchtlingen und eine fremdenfeindliche Haltung, so dass erst die Frage war, ob er kommen und sich darauf einlassen wird.

Zu Beginn des Abends ließen wir uns anhand von Bildern ihrer Heimatstädte im Internet einiges von ihren Gegebenheiten Zuhause in Syrien nahe bringen.

Bei zwei Raucherpausen mit ihnen vor dem Haus konnte der Freund unserer Tochter dann seine Fragen zu IS, usw. stellen und sich von ihrer dramatischen Reise mit dem Boot nach Deutschland erzählen lassen.

Verändernde Begegnung

Als später die Überlegung aufkam, ob wir noch etwas gemeinsam spielen wollen, meinte er, er fände es besser, einfach noch mehr am Tisch zu reden. Das war eine sehr ungewöhnliche positive Reaktion für ihn. Auch meinte er, dass er anderen davon erzählen wird.

So waren wir sehr dankbar über die gelungene Begegnung – ein Geschenk für uns alle und ein wertvoller Baustein, Angst zu überwinden und in der Begegnung einen neuen Blick und eine neue Haltung zu gewinnen. Hinterher dachte ich: Ist das nicht genau Weihnachten? Gott kommt zu uns – in ganz unerwarteter Weise!

Zum Schutz der Persönlichkeit wurde auf Namen und Ortsangaben verzichtet.

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