Die dunkle Seite der Reformation – Teil 2: Verfolgung der Täuferchristen

Teil 2 der Serie: “Die dunkle Seite der Reformation” erzählt das bewegende Schicksal von verfolgten Täuferchristen in einer süddeutschen Kleinstadt.

Hier geht es zu Teil 1 der Serie: “Die dunkle Seite der Reformation”

 

Er wurde auch Martin der Maler genannt, denn er war in Augsburg in einer Malschule gewesen. Es ging das Gerücht, er habe sich dort einer fanatischen Sekte angeschlossen und sei ausgewiesen worden. Nun war er in Schwäbisch Gmünd. Von den angesehenen Leuten der Stadt wollte niemand mit ihm zu tun haben. Aber Martin blieb nicht unbemerkt. Er zog als Sänger von Haus zu Haus und rief in seinen Liedern zur Nachfolge Jesu auf. Seine Ernsthaftigkeit und Echtheit beeindruckte vor allem junge Menschen und sprach deren Sehnsucht nach Frieden mit Gott und Leben in geschwisterlicher Gemeinschaft an. Bevor der Stadtrat begriffen hatte, was geschah, hatte Martin schon über hundert Menschen getauft. Die „Wiedertäufer“ versammelten sich in verschiedenen Häusern und feierten heimlich Abendmahl.

Im Sommer des Jahres 1529 wurde er während einer solchen Versammlung festgenommen. Die Anklage lautete, er habe die armen, einfachen und jungen Menschen der Stadt verführt. Mit ihm wurden vierzig weitere Personen gefangen gesetzt, darunter neunzehn Mädchen und Frauen. Viele wurden wegen »erwiesener Unschuld« bald wieder freigelassen, aber Martin und andere Rädelsführer wurden bis zum Jahresende bei Wasser und Brot im Stadtturm festgehalten. Die Wächter folterten Martin auf der Streckbank und warfen ihm sexuelle Unmoral vor. Doch er hatte nichts zu bekennen, als dass er Jesus nachfolgen und mit den Gläubigen auch alle Güter teilen wollte. Eine Einstellung, die den vermögenden Stadträten geradezu lächerlich vorkam. Am 4. Dezember 1529 holte man schließlich sieben »Verstockte« aus ihren Zellen und machte ihnen »zum Wohl der Stadt« öffentlich den Prozess. Unter ihnen waren eine junge Frau und der Sohn eines Müllers. Die sieben Gefangenen blieben bei ihrer »Sturheit« und so überführte das Gericht sie der Ketzerei und sprach das Todesurteil.

Drei Tage später wurden sie in Ketten auf ein gefrorenes abgeerntetes Feld vor der Stadt geführt. Die Vornehmen der Stadt folgten auf Pferden, das Volk zog in großer Menge hinterher. Der Lärm der Trommeln machte eine Unterhaltung unmöglich. Auf dem Feld angekommen, umringten die Soldaten die Gefangenen. Doch was war das? Der jüngste der sieben, der Sohn des Müllers, schrie, so laut er konnte. Seine Stimme übertönte die Trommeln und viele konnten seine Worte verstehen: »Lasst ab von euren Sünden und eurer Ungerechtigkeit! Kehrt um zu Gott! Es ist kein anderer Weg ins Himmelreich als der Herr Jesus Christus, der für unsere Befreiung am Kreuz gestorben ist!« Aus der Menge riefen einige Frauen zurück: „Nur Mut, junger Mann! Bleib‘ stark!“

Einer der berittenen Edelleute konnte es nicht ertragen, dass der junge Mann getötet werden sollte. Er bat um Erlaubnis, mit ihm zu sprechen. „Mein Sohn“, sagte er, „lass ab von deiner Verführung und widerrufe. Was lässt du dir weismachen. Schone dein junges Leben! Ich will dich in mein Haus aufnehmen und dich stets bei mir behalten. Wenn du mir folgst, sollst du dein Leben lang gute Tage bei mir haben.“ Doch der junge Mann antwortete: „Das wolle Gott niemals zulassen, dass ich das irdische Leben behalten und das ewige verlieren sollte. Da würde ich töricht handeln. Nein, ich will das nicht tun. Dein Gut kann weder dir noch mir helfen. Ich erwarte etwas Besseres, wenn ich bis an das Ende beständig bleibe. Ich will meinen Geist Gott übergeben und Christus anbefehlen, damit sein bitteres Leiden am Kreuz an mir nicht umsonst war.“ Alle sieben wurden geköpft.

 

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch “Feuertaufe. Das radikale Leben der Täufer – eine Provokation“. In der Serie die dunkle Seite der Reformation veröffentlichen wir Auszüge aus diesem Buch und Fakten zur Verfolgung Andersgläubiger- besonders der Täuferchristen – ausgelöst durch die die Reformation.

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