Burnout – 10 Wege, Ausbrennen zu vermeiden

Einen richtigen Burnout oder vollständigen Zusammenbruch hatte ich – Gott sei Dank – noch nie. Aber ich war nahe dran. Im August 2002 lagen bei mir nach einer Zeit der Dauerbelastung in Beruf, Familie und Gemeinde die Nerven blank.

Die Emotionen befanden sich im tiefsten Tief und der Körper verweigerte die Kooperation. Ein fantastischer Urlaub fing die schlimmste Krise gerade noch rechtzeitig ab, aber damit war es nicht getan. Es galt, langfristig Strategien entwickeln, um mein seelisches Gleichgewicht wieder zu finden und zu erhalten. Ich wollte für die Zukunft ähnliche Krisen vermeiden. Neben den Dingen, die jeder Berater sagt (mehr Sport, Ausgleich, Entspannung, Verantwortung – wenn möglich – abgeben), gibt es einige weitere Dinge, die mir persönlich geholfen haben und vielleicht auch dem einen oder anderen von Burnout Bedrohten weiterhelfen können.

 

  1. Regelmäßiger Check-up

Die Frage „Wie geht es mir?“ ist manchmal gar nicht so leicht zu beantworten. Ich habe mir deshalb, angelehnt an Infos, die ich in psychologischen Zeitschriften fand, eine Checkliste mit den wichtigsten Symptomen für beginnenden Burnout erstellt. Die wichtigsten Warnsignale von Kopfschmerz und Verspannungen bis hin zu Schlafproblemen und depressiven Aussagen wie „Das schaffe ich nie“ oder „Mir ist alles zu viel“ sind in meiner Checkliste aufgelistet. Alle ein bis zwei Monate nehme ich mir die Liste vor und kreuze die Faktoren an, die ich an mir selbst in der vorausgegangenen Zeit beobachtet habe. Das gibt mir einen guten Überblick über meine derzeitige Gemütslage und warnt vor entstehendem Burnout.

 

  1. Beobachtende Freunde

In der schlimmen Krise habe ich eine Freundin, die mich gut kennt, gebeten, auf mich „aufzupassen“ und mich zu warnen, wenn sie sieht, dass sich die Anzeichen für drohenden Burnout mehren. Diese „Wächterfunktion“ kann ein nahe stehender Mensch (ein Freund, ein Ehepartner) übernehmen. Nur wenige Menschen geben gern ungefragt Kommentare über den Stresslevel eines anderen ab. Deshalb ist es gut, selbst die Initiative zu ergreifen und sie ab und zu fragen: Wie siehst du mich gerade? Empfindest du mich als gestresst? Bin ich sehr unruhig?

 

  1. Stressfaktoren auflisten

Ich habe mir in der Krise einmal die Mühe gemacht, alle Dinge aufzulisten, die mir Energie raubten – egal ob es sich um große oder kleine Stressfaktoren handelte. In meiner 45-Punkte (!) umfassenden Liste waren Dinge wie meine dreimal hintereinander von Käfern zerfressenen Balkonblumen ebenso aufgelistet wie der Diebstahl meines Fahrrads und der Zusammenbruch des Gemeindegründungsprojektes, in dem ich damals mitarbeitete. Diese konkrete Stressfaktorenliste hat mir geholfen, klarer zu sehen, welche Dinge mich belasten. Die meisten dieser Dinge konnte ich nicht sofort ändern, aber es war gut, ihnen direkt ins Auge zu sehen und zu erkennen, dass ich den Stress nicht nur empfand, sondern er auch konkrete Ursachen hatte.

 

  1. Den eigenen Rhythmus finden

Mir hat es sehr geholfen, angelehnt an die Ordnung der Schöpfung, meine Arbeit nach Tagen einzuteilen: Montag für Schreiben, Dienstag für Projektplanung, Mittwoch für Homepage und Marketing etc. Das kann bei jedem anders aussehen. Aber mir hilft dieser Rhythmus, an jedem Tag nur die Plage des jeweiligen Tages zu empfinden (also z.B. alle Artikel, die ich zu schreiben habe), nicht die Last der gesamten unerledigten Dinge, die ich irgendwann zu erledigen habe.

 

  1. Das Umfeld aufräumen

Da gibt es diese grausamen Papierstapel im Büro, die einem ständig Angst einflößen: Du könntest etwas Wichtiges vergessen haben. Du hast noch so viel zu erledigen. Die beste Methode dagegen ist die Radikalkur à la Simplify: Einen großen Papierkorb in die Mitte des Raumes stellen und sich irgendwann mal einen Nachmittag oder ganzen Tag dafür nehmen, alles wegzuwerfen, wegzusortieren oder zu erledigen. Wenn es so radikal nicht geht, kann man auch täglich fünf Dinge entsorgen. Das schafft viel Luft – in der Umgebung und im Kopf. Und die „täglich fünf Dinge weniger“-Strategie kann man auch langfristig beibehalten – man hat täglich fünf kleine Erfolgserlebnisse garantiert!

 

  1. Absagen

Da gibt es diese 1000 netten Leute, die alle etwas von einem wollen. Man will ja nett sein, auf ihre Fragen eingehen, ihnen helfen und ihre Texte, Mails und Infos lesen. Aber oft sind es gerade diese Dinge, die viel Zeit und Energie kosten und von der eigentlichen Aufgabe ablenken. Es ist für mich immer noch eine der schwierigsten Aufgaben, bei Anfragen, die an mich herangetragen werden, klar zu denken und zu fragen: Will ich das wirklich? Muss ich das tun? Bringt es mich meinen Zielen näher? Und wenn die Antwort „Nein“ lautet, den Mut zu haben, dem Bittsteller auch ein klares „Nein“ zu geben.

 

  1. Die Gedanken aufräumen

Das Wort „Ich muss“ ist ein erbärmlicher Sklaventreiber: Ich muss diese Person anrufen, ich muss jenen Brief beantworten. Je mehr „muss“ im Leben ist, umso mehr fühlt man sich fremdbestimmt und kontrolliert. Das Verrückte dabei war für mich: 90 Prozent der Dinge, die ich tun muss, tue ich wirklich gerne, aber das Gefühl, sie tun zu müssen, verdirbt mir den Spaß daran. Ich schreibe leidenschaftlich gerne, ich rufe gerne Menschen an, verpacke gerne Post…usw. Daneben gibt es Dinge (wie Steuererklärungen), die ich nicht so richtig gerne tue, aber für die ich mich dennoch entscheiden kann. Ich habe mir angewöhnt, soweit es geht, nicht mehr „Ich muss“ zu sagen, sondern „Ich will dieses tun“ (z.B. beim Schreiben) oder zumindest „Ich werde jenes tun“ (z.B. Steuer), bei den Dingen, die ich wirklich ungern mache. Das ist kein psychologischer Selbstbetrug, sondern lediglich eine Fokusverschiebung, Ich kann mein Leben als fremdbestimmt von allen „ich muss“ betrachten oder ich kann mich bewusst entscheiden, die Herausforderungen anzunehmen und diejenige zu sein, die bestimmt, was ich tue: „Ich will …und ich werde!“

 

  1. Sich selbst Danke sagen

Ein Hauptfaktor von Burnout ist das Gefühl des Getriebenseins. Man kommt mit der Arbeit nicht nach, wird erschlagen von den Anforderungen, die die Gemeinde, Familie, Umwelt, Aufgabe an einen stellt. Und häufig übersieht man beim Blick auf die vielen noch unerledigten Dinge, wie viel man denn eigentlich schon geschafft hat. Mir hilft es, mich am Abend eines Tages oder am Ende der Woche nochmals mit meinem Kalender hinzusetzten und zu sehen, was ich erledigt habe. Und mir selber Danke sagen, dafür, dass ich die Dinge erledigt habe. Und mir selbst ein Kompliment zu machen: „Schau mal, das alles hast du gemacht!“ Und Gott danke sagen, dass ich es geschafft haben. Wenn ich mich über die Dinge freuen kann, die ich erreicht habe, verliert das Unerledigte viel von seiner Macht.

 

  1. Pausen machen

Es ist ein Gewinn, den Wechsel zwischen zwei verschiedenen Tätigkeiten zu nutzen, um eine kleine Pause zu machen. Man kann beim Müll hinaustragen in die Bäume blicken und den Wind und die Sonne im Gesicht spüren, eine Tasse Tee trinken, einen Katalog durchblättern (und dann wegwerfen!), ein bisschen die müden Muskeln dehnen. Schon eine Minute bewusste Pause zwischen zwei größeren Tätigkeiten kann ungemein entspannend wirken und neue Kraft und Energie geben.

 

  1. Perspektive klären

Immer wieder rutsche ich in das Denken, dass ich für alles verantwortlich bin. In gewisser Weise stimmt das. Ich bin beruflich selbstständig und trage Verantwortung. Aber da ist einer, der mich trägt. Das vergesse ich hin und wieder. Ich brauche Zeiten, in denen ich mich darauf besinne, wer hier wer ist. Er ist der Vater, der Schöpfer, der Allmächtige. Ich bin sein Kind, handle mit ihm und für ihn. Eine geistliche Übung, die dabei helfen kann, die richtige Perspektive zu gewinnen, ist, im Gebet über Gegensatzpaare in der Bibel nachzudenken. Gott ist Töpfer – ich bin der Ton. Gott ist der gute Hirte – ich bin das Schaf. Gott ist der Meister – ich bin der Jünger. Gott ist der Vater – ich bin das Kind. Gott ist der Schützende – ich bin die Geschützte. Gott ist alles in allem – und ich bin in ihm.

Gott ist viel. Aber eines ist er nicht: Der Sklaventreiber, der uns immer mehr Lasten aufbürdet und zu Höchstleistungen antreibt. Das sind andere Sklaventreiber um uns und in uns. Sicher muss jeder seinen eigenen Weg finden, um diesen Sklaventreibern im eigenen Leben auf die Spur zu kommen – und sie zu entlarven und zu entwaffnen. Damit das Leben wieder interessant und spannend wird – ohne dass man selbst dabei kaputt geht.

 

Der Artikel erschien zuerst im Oktober 2003 in der Zeitschrift PRAXIS (jetzt integriert in AUFATMEN). Mit freundlicher Genehmigung.

 

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